Nachruf und Dank an Bert Hellinger


Lieber Bert,

heute habe ich erfahren, dass Du am letzten Donnerstag, den 19.09.2019, verstorben bist.
Ich bin zutiefst berührt!
Ich wusste natürlich, dass Du alt geworden und in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit kaum noch aufgetreten bist.
Ende letzten Jahres hast Du schon Deine Biographie als Buch veröffentlicht. In ihm hast Du selbst noch über Dein Leben und Dein Wirken
ausführlich berichtet. Ich habe es gelesen und halte es nun an mein Herz.

Du bist 93 Jahre alt geworden. Das ist für die heutige Zeit ein biblisches Alter, wie ich meine. Dein Leben war voll und rund, so hast Du es
selbst geschrieben. Nun bist Du gegangen, mein lieber Lehrer und in Vielem mein Vorbild.
Wenn ich sage, Du bist mein Lehrer, dann schäme ich mich etwas, denn das vermittelt anderen das Bild, als hätten wir uns gut gekannt.
Das ist nicht so!
Wir sind uns im Grunde Auge in Auge über die Jahre nur wenige Male begegnet. Allerdings haben wir etwa 40 bis 50 Tage gemeinsam
verbracht, wenn auch innerhalb größerer Gruppen. Doch sicher hättest Du Dich erinnert, wären wir uns noch begegnet, vermutlich nicht
an meinen Namen, jedoch an mein Gesicht. Das letzte Mal habe ich Dich 2015 aufstellend erlebt. Das war noch einmal eine wichtige
Begegnung mit Dir für mich!

Obwohl wir kaum zu zweit allein gesprochen haben, hast Du mir eine ganze Welt eröffnet, einen neuen Blick, einen weiten Blick auf diese
Welt und das Menschsein und auf das Leben selbst. Und Du hast meinen Blick auf mein eigenes Leben erweitert und auf alle, die zu mir
gehören, die lange vor mir da waren und mein Leben und mein Schicksal schon vor langer Zeit - weit vor meiner Geburt - gestaltet und
vorbestimmt, aber nicht festgelegt haben. In sofern habe ich erkannt - durch Dich und das im großen Feld des Familienstellen Erlebte und
Erfahrene -, dass ich nicht allein da bin. Ich mag mir selbst und anderen so erscheinen, als wäre ich begrenzt und ein in mir abgeschlossenes
Individuum, von seiner Haut abgegrenzt von der Umwelt, doch dieser Anschein trügt! Ich bin noch viel(e) mehr und Du bist noch viel(e) mehr
und alle sind viel mehr, als das vordergründig für uns Erkennbare.

Durch Dich weiß ich, dass ich meine Eltern bin, dass ich alle meine Vorfahren bin, dass ich alle bin, die mit mir verwandt oder schicksalhaft
verbunden sind. Und darüber hinaus bin ich ALLES, was ist. In diese Weite hast Du mich mitgenommen, lieber Bert.

Am eigenen Leib und an eigener Seele habe ich das Familienstellen und die hinter ihm wirkende Liebe das Geistes erfahren. Diese Liebe des
Geistes hat auch mich erfasst und führt mich in meinem eigenen Leben und in meiner eigenen Familien-Aufstellungsarbeit, wenn ich sie denn
lasse. Ich habe bei Dir, Bert, die phänomenologische innere Haltung selbst erfahren, die Zustimmung zu allem, was ist. Viele derer, die an
Deiner Seite gingen, haben mir den Raum geschenkt die Liebe des Geistes individuell auch durch sie zu erfahren, so Deine Frau Sophie,
Wolfgang Deußer, Gerhard Walper, Joël Weser und einige mehr.

Ich staune! Das, was ich durch Dich bekommen habe, ist im wahrsten Sinne des Wortes unfassbar groß.

Ich habe sie in Dir gesehen und erkannt, die Liebe des Geistes. So viel Liebe! So viel Weisheit! Im Dienste dieser Liebe hast Du Dein Leben
gelebt, gewirkt und gelehrt.

Ich bin nur einer von etwa 35 Teilnehmern meiner Ausbildungsgruppe zum Familienaufsteller. Ich bin nur einer von hunderten Teilnehmern an
Ausbildungscamps und Hellinger-Kongressen. Ich bin nur einer von tausenden oder zehntausenden Familienaufstellern weltweit, die ebenfalls
die Ordnungen der Liebe achten und für andere anwenden, so gut sie das schon können, und sich von der Liebe des Geistes führen lassen.
Ich bin nur einer von millionen Menschen, die von Deinem Leben, von Deinen Erkenntnissen, von Deinem dem Leben Dienen, von Deiner Liebe
profitieren, Heilung und Gnade erfahren haben.
Wenn jeder davon so viel Liebe, Erkenntnis und Heilung erfahren hat, wie ich, wie groß ist dann Dein wirken? Ist Dir das selbst zu Lebzeiten
überhaupt bewusst geworden, wie groß das ist?

Ich habe mich nicht getraut Dir diesen vollen Dank, die volle erfahrene Fülle angemessen zu Lebzeiten auszudrücken. Ich habe es meistens
bei einem einfachen "Danke, Bert" belassen. Der volle Dank hätte zu viel Raum in Deinem Leben eingenommen. Es wäre egoistisch
gewesen. Was, wenn jeder von den Millionen oder auch nur Tausenden, die Du berührt und inspiriert hast, sich so seitenlang bei Dir bedankt
hätten, wie ich jetzt? Das Lesen aller Briefe würde länger dauern, als Deine Lebenszeit hier auf Erden. So vertraue ich, dass meine Liebe
und mein Dank auch so zu Dir zurück schwingt.

Ich weiß, dass Dein großer Dienst alles andere als leicht war. Er hat Dir ALLES abverlangt! Er hat Dich auch - in gewisser Weise - einsam
gemacht. Ich weiß ein Lied davon zu singen! Er hat Dich "in eine Zucht genommen", wie Du oftmals gesagt hast. Heute glaube ich zu wissen,
dass Du das, was ich auch erlebe, gemeint hast. Ich kann Dich leider nicht mehr fragen. Zum Glück hast Du liebende Begleitung gehabt, immer
zur rechten Zeit in Dein Leben getreten.

Viele haben Dich auf ein Podest gestellt und gemeint, Du wärst allwissend. Das bist Du auch, das warst Du auch, wenn Du im großen liebenden
geistigen Feld warst und Dich hast führen lassen.
Aber im alltäglichen Leben warst Du - Gott sei Dank - sicher auch ein ganz "normaler" Mensch mit Bedürfnissen, Eigenheiten und
Schrulligkeiten. Deine Frau Sophie wird das gut wissen!

Manchmal hat Deine "Menschlichkeit" durchgeschienen. Gerade diese Momente mit Dir habe ich sehr genossen. Auch Du warst noch
verstrickt hier und da, das hat mich erleichtert! Es hat mir Mut gemacht, es auch zu wagen, mit Menschen zu arbeiten und mich führen zu
lassen.

Ich vermute, dass Du Dich oft nach Einfachheit gesehnt hast. Bei Sophie hast Du diese liebende Einfachheit und Dein Zuhause gefunden, so
nehme ich es jedenfalls aus der Ferne war. Sie war Dir ein wahres Gegenüber in Deiner Größe, ein großartiger Spiegel und ein Engel an
Deiner Seite. Deine Blicke auf sie haben das verraten!

Du bist ein wichtiger Mensch in meinem Leben! Die Begegnung mit Dir hat mein Leben verändert und fortan wesentlich bestimmt. Du bist ein
schillernder Held für mich!
Bist Du deshalb besser oder wichtiger als andere hier auf der Erde? Wir alle dienen der Liebe des Geistes, ob uns das nun (voll) bewusst ist,
wie Dir, oder noch völlig unbewusst!
Auf den Weg zum Glück hast nicht nur Du mich gebracht. Es war auch meine ehemalige Nachbarin, die mir das erste Mal vom Familienstellen
erzählte und mir Bücher von Dir lieh. Es war auch die Leiterin meines ersten Aufstellungsseminares, an dem ich als Klient teilnahm. Es war
auch der Zeitungsjunge, der die Wochenzeitung in meinen Briefkasten warf, mit dem kleinen Artikel darüber, dass Du in Quickborn, 10 Km von
meinem damaligen Wohnort entfernt, eine Ausbildungsgruppe leitest. Es war auch die Aufstellerin aus Quickborn, die für Dich und uns
Teilnehmer den Ausbildungskurs organisiert hat. Sie alle sind für mich gleich wichtig für meinen Weg in der Liebe das Geistes.
Vor allem sind es natürlich meine Eltern, die mich auf den Weg ins Glück, ins Leben gerufen haben.
So ehre ich Dich im Kreise von allen, die uns beide umgeben und die mit uns da sind. Wie schön, dass es Dich und uns alle gibt!

Ich weiß, dass Du noch da bist! Du hast nur Deinen alt gewordenen Körper verlassen. Gerade aus der Aufstellungsarbeit weiß ich, dass alle
noch da sind und in die Leben der heute körperlich Lebenden schicksalhaft hineinwirken. Deshalb bin ich achtsam mit meinen Gedanken und
Taten, denn ich weiß, dass die Toten alles mitbekommen, was ich über sie denke, und die Seelen der Lebenden ebenso.

Ich diene, genau wie Du!

Ich tue das so gut ich kann, genau wie Du!

Ich freue mich des Lebens, auch wenn Du gestorben bist!

Wenn meine Zeit gekommen ist, komme ich auch dorthin, wo Du jetzt bist.

Es ist sehr schön, Dir in die Augen zu schauen, wissend, dass Du auch mich erkennst in meiner Liebe, der Liebe des Geistes, in der wir eins
sind und schon immer eins waren.

Danke und Alles Gute Dir, lieber Bert!

Ja!